Technologie im Dialog - Michel Hohendanner’s Forschung am MUC.DAI und am TUM Chair of Cyber Trust
Perspektiven von Bürgerinnen und Bürgern sowie Expertinnen und Experten auf KI und sozio-technische Systeme für eine gerechte digitale Gesellschaft.

Zentrale Fragestellung
Im Mittelpunkt von Michel Hohendanners Forschung steht die Frage, wie neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und immersive Technologien sozialen Wert schaffen können, das heißt, wie ihre Vorteile allen Teilen der Gesellschaft zugänglich gemacht werden können, während negative Folgen vermieden werden.
Diese Fragen sind nicht nur eng mit der technischen Entwicklung der Technologien verbunden, sondern auch mit ihren gesellschaftlichen Adoptionsprozessen und den damit verbundenen Vorstellungen, das heißt, wie sich Menschen die Rolle der Technologie als Teil ihrer Gesellschaft und sozialen Lebensumgebungen vorstellen.
Befragte Akteure und Motivation der Forschung
Da diese Faktoren entscheidend für eine sozial nachhaltige Entwicklung und Adaption dieser Technologien sind, wendet sich Michel in seiner Forschung sowohl an Bürgerinnen und Bürger als auch an Expertinnen und Experten. Dies ermöglicht die Erforschung möglicher Auswirkungen des Einsatzes der Technologien aus einer breiten Multi-Stakeholder-Perspektive. Zudem erlaubt dieser Ansatz die Infragestellung vorherrschender Narrative über die Vorteile der Technologien, wie z.B. erhöhte Effizienz und Bequemlichkeit, die oft von Akteuren aus der entwickelnden Industrie gestreut werden.
Darüber hinaus ermöglicht es die Untersuchung von Kompromissen und Trade-Offs, die die Technologien implizieren könnten. Dabei können auch Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden, die oft weder von Entwicklern noch als Teil sozio-technischer Diskurse Beachtung finden. Um diese möglichen blinden Flecken zu adressieren, wendet Michel zudem eine länderübergreifende Perspektive auf seine Untersuchungen an, da die Art und Weise, wie Technologie angenommen wird, auch von lokalen spezifischen Faktoren abhängt. Diese können von Region zu Region unterschiedlich sein.
Angesichts der Tatsache, dass derzeit die meisten dieser Technologien in wenigen Ländern, hauptsächlich im Globalen Norden, entwickelt werden, werden viele lokale Faktoren, insbesondere aus dem Globalen Süden, in der Entwicklung oder bei globaler Anwendung nicht berücksichtigt. Diese Spannungen motivieren Michels Forschung. Auch dank der tatkräftigen Unterstützung von Forschungspartnerinnen und -partnern weltweit fanden Michels Befragungen und Erhebungen bisher in Deutschland, Japan, Nigeria, Indien, Mexiko und Bolivien statt.

Zielsetzung
Mit seiner Forschung zielt Michel darauf ab, zu Diskursen über nachhaltige Mensch-Computer-Interaktion und antizipatorische Ansätze zur digitalen Ethik beizutragen. Das heißt, eine sich ständig weiterentwickelnde Ethik, die mit der technischen Entwicklung Schritt halten kann und somit eine Orientierung bieten kann, um das Leben in digitalisierten Lebensumgebungen zu navigieren. Darüber hinaus dient die Forschung politischen Diskursen, da Michel anhand seiner Ergebnisse politische Handlungsvorschläge ableitet.
Forschungsmethoden
Als Hauptmethode der Untersuchung wendet Michel qualitative Formate an, die von Research through Design-Methoden (Forschung durch Design-Methoden) inspiriert sind, insbesondere dem Design-Futuring, aber auch Methoden aus dem Foresight, der Technologiefolgenabschätzung und der angewandten (Digitalen) Ethik. Diese Methoden werden oft in Form von Workshop-Formaten zusammengeführt, die es den Workshop-Teilnehmenden ermöglichen, ein Thema gemeinsam zu diskutieren und ihre informierte Perspektiven zu artikulieren. Diese Workshop-Formate werden durch quantitative Umfragen ergänzt, die somit einen Mixed-Methods-Ansatz (das Zusammenführen von qualitativen und quantitativen Methoden) ermöglichen.
Dieser Ansatz, ein strukturiertes Format für Diskussionen bereitzustellen, wird sowohl für Bürgerinnen- und Bürgerbefragungen als auch für Expertinnen- und Expertenbefragungen angewendet. Auf diese Weise werden Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt, ein grundlegendes Verständnis für ein Thema zu erlangen und, indem Wissensbarrieren abgebaut werden, gemeinsam ihre Perspektiven zu sozio-technischen Diskursen beizutragen. Oder, wie es ein Teilnehmer eines Workshops in Indien ausdrückte: „Es hat mir sehr geholfen, zu Beginn zu erfahren, dass technisches Wissen nicht zwingend erforderlich ist, um Teil dieses Workshops zu werden. Es hat mir ermöglicht, ohne Vorbehalte teilzunehmen. Ich denke, die Workshops sollten fortgesetzt werden, um auch andere dafür zu begeistern.“
Im Gegenzug werden Expertinnen und Experten in die Lage versetzt, über eine rein technische Einschätzung hinauszugehen, systematisch über mögliche Auswirkungen von Technologie nachzudenken und somit ihre Perspektive in den sozio-technischen Diskurs einzubringen, auch im Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern. Wie dies auch für Expertinnen und Experten von Vorteil sein kann, zeigt das Feedback eines Experten nach einem Workshop in Japan: „Aus meiner Perspektive, als jemand, der in den KI-bezogenen Bereichen arbeitet, hatte ich das Gefühl, dass es eine größere Lücke in der KI-Kompetenz gab als erwartet, was mir die Bedeutung dieser Initiative nochmal bewusst gemacht hat. Ich habe zudem viel gelernt.“

Über Michel
Michel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Cyber Trust an der Technischen Universität München unter Betreuung von Prof. Jens Grossklags. Von Januar 2022 bis März 2025 war Michel wissenschaftlicher Mitarbeiter am Munich Center for Digital Sciences and AI der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München.
Von August bis Dezember 2024 erhielt Michel ein Stipendium des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ), um Studien zur Wahrnehmung von KI und kybernetischer Technologie in Tokio durchzuführen. Im August und September 2022 forschte Michel am Hai Lab von Prof. Hirotaka Osawa an der KEIO-Universität in Tokio zu einem Design-Futuring-Projekt zum Metaverse.
Im Jahr 2021 hatte er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Digitale Ethik in Stuttgart inne. Zwischen Februar und Juli 2020 war Michel als Gastforscher am Kyoto Design Lab des Kyoto Institute of Technology in Japan tätig, wo er unter der Betreuung von Prof. Daijiro Mizuno zu Designmethoden für die Förderung deliberativer Bürgerdialoge forschte.