Brücken zur Zukunft bauen mit KI bei MUC.DAI
Die beeindruckenden Fähigkeiten der (Generativen) KI, seien es die großen Sprachmodelle, Bildgeneratoren, datengetriebene Simulationen oder Gesichtserkennungstechnologien, stellen die Gesellschaft vor die Herausforderung, kluge Antworten auf die damit verbundenen sozialen Irritationen zu finden. Im vergangenen Jahr haben wir uns im MUC.DAI intensiv mit der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten auseinandergesetzt und auch die Entwicklung neuer Modelle des maschinellen Lernens vorangetrieben - Unser Forschungsleiter Dr. Benedikt Zönnchen blickt auf ein spannendes Jahr in unserem MUC.DAI Forschungsteam zurück.
Anwendungen des maschinellen Lernens: Windturbulenzen, Armprothesen und Speech Enhancement
Betrachten wir zunächst die technisch-getriebenen Fortschritte, von denen wir berichten dürfen, d. h. jene Forschungsarbeiten, die sich nicht direkt den Auswirkungen widmen, sondern neue technische Entwicklungen hervorgebracht haben.
So konnte Maximilian Dauner mit seinen Kolleg:innen, im Rahmen des EILT Projekts (Einflussreduzierte Innerstädtische Lufttransport-Technologie), die lokale Vorhersage von Windturbulenzen durch den Einsatz von tiefen neuronalen Netzen verbessern. Die Ergebnisse werden bald auf dem AIAA SciTech Forum 2025 unter dem Titel Local Wind Vector Estimation using Multirotor UAV Parameters for the Simulation of Wind Fields in Urban Area via Neural Networks vorgestellt. Ein zentraler Aspekt dieses EILT Projekts ist die Verlagerung herkömmlicher Transportsysteme von der Straße in die Luft, unter anderem durch die Schaffung neuer Urban Air Mobility Konzepte, wie etwa autonome Flugtaxis oder Lieferdrohnen. Durch die Vorhersage von Windströmungen in urbanen Gebieten will Maximilian den Drohneneinsatz sicher und planbar machen.
Seine Erfahrungen mit der Transformer-Architektur konnte Maximilian zusammen mit Lukas Förner und in Kooperation mit der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie erfolgreich auf das Problem des Speech Enhancement anwenden. Durch eine Kombination zweier Transformer-Architekturen, dem sog. Metaformer und dem Conformer, gelang es den beiden die Trainingsdauer und den Speicherverbrauch zu reduzieren. Dies deutet darauf hin, dass die entwickelte MetaConformer-Architektur weitere vielversprechende Ergebnisse liefern könnte. Ihre Ergebnisse stellten die beiden auf der SPECOM 2024 vor.
Téo Sanchez konnte hingegen, zusammen mit seinen Kolleg:innen, seinen Ansatz des Machine Teachings auf die Steuerung einer myoelektrischen Armprothese anwenden. Dabei untersuchte er, wie Patient:innen die Prothese so trainieren können, dass sie ihre spezifische Muskelaktivierung präziser erkennt. Die Arbeit wurde auf der diesjährigen IUI 2024 unter dem Titel Comparing Teaching Strategies of a Machine Learning-based Prosthetic Arm.
Perspektiven auf KI und sozio-technische Systeme: Die Rolle der Bürger:innen und Expert:innen
Im Rahmen seines Forschungsaufenthalts am Deutschen Institut für Japanstudien wurden von Michel Hohendanner und seinen Kolleg:innen zwei Studien durchgeführt. Mit seinem Ansatz, welcher auf Methoden des Research Through Design and Futuring beruht, erfasste das Team die Vorstellungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Expertengruppen zu den Themen Generativer KI (GenAI), Gesichtserkennungstechnologien (GET) und kybernetischen Avataren (CA) in einer wünschenswerten Zukunft. Die Frage, die sich die Forschenden stellen lautet: Wie ist eine sozial nachhaltige Entwicklung und Gestaltung solcher Systeme möglich bzw. vorstellbar?
In der ersten Studie wurden Wahrnehmungen von GenAI und GET durch Bürgerinnen und Bürger in Japan erhoben. Dabei diskutierten 63 Teilnehmende in einem Workshop ihre Vorstellungen zu GenAI in den Bereichen Bildung, öffentlicher Dienst und Kunst & Kultur. Im Bereich GET wurden Anwendungen im öffentlichen Raum, der Unternehmensüberwachung und der sozialen Interaktion beleuchtet. Erste Ergebnisse der GenAI-Analyse wurden bereits verfasst und befinden sich im Begutachtungsprozess. Die Analyse der GET-Daten ist in Arbeit.
Die zweite Studie widmet sich der Frage wie sich Experten in Japan die Rolle der kybernetischen Avatare in einer wünschenswerten Zukunft vorstellen. In einem Workshop mit Expertinnen und Experten im Rahmen des japanischen Moonshot-Projekts wurden Visionen für den Einsatz solcher Technologien, insbesondere in sozialen Kontexten, erarbeitet. Die Ergebnisse werden in einer gemeinsamen Publikation verarbeitet.
Michel plant seine Ergebnisse auf der FAccT-Konferenz und der C&C Konferenz vorzustellen.
Künstliche Kommunikationspartner in der Informatiklehre
Sind Sprachmodelle oder auf ihnen basierende Systeme als herkömmliche Werkzeuge oder als intelligente Agenten zu verstehen? Oder lässt sich ein Begriff finden, der die Vermenschlichung von Algorithmen und Maschinen vermeidet, aber gleichzeitig ihrer kommunikativen Fähigkeiten Rechnung trägt? Ein erster Impulsbeitrag mit dem Titel Generative KI: Zwischen Werkzeug und Kommunikationspartner wurde von Benedikt Zönnchen verfasst und auf unserer Webseite zur Verfügung gestellt. Eine Veröffentlichung zu diesem Thema ist in Planung.
Als Studienfakultät widmen wir uns auch dem Einfluss neuer Technologien auf den Lehrbetrieb. Wie verändern die neuen künstlichen Kommunikationspartner die Informatiklehre? Wie gehen Studierende mit den neuen Möglichkeiten, insbesondere beim Lernen der Programmierung um und wie nehmen sie die künstlichen Kommunikationspartner wahr? In ChatGPT in Higher Education: Perceptions of Computer Science-Related Students konnten wir zusammen mit Kolleg:innen der Fakultät 07 feststellen bzw. bestätigen, dass viele unserer Studierenden Sprachmodelle bereits fest in ihren Lernalltag integriert haben. Wir fanden Hinweise darauf, dass die aktive Auseinandersetzung mit der Technologie das Verständnis ihrer komplexen und intransparenten Funktionsweise verbessert. Während viele Studierende mögliche Verzerrungen, die probabilistische Arbeitsweise, die dadurch entstehenden Ungenauigkeiten und Halluzinationen, und die Abhängigkeit von spezifischen Datensätzen als charakteristische Merkmale identifizieren, fällt es vielen noch immer schwer, eine präzise Beschreibung dieser künstlichen Kommunikationspartner zu formulieren.
Auch in die Debatte um das "Ende der Programmierung" mischen wir uns ein und erteilen diesem Ende vorerst eine Absage. Klar ist jedoch, dass wir als Lehrende Lernziele, Methoden und Prüfungsformate an die veränderten Bedingungen anpassen müssen. Zugleich müssen sich aber auch diese Bedingungen an die Anforderungen der Lehre anpassen. So benötigen wir beispielsweise spezifische Chatbots, die für das Programmierenlernen konzipiert sind. In On the Impact of ChatGPT on Teaching and Studying Software Engineering diskutieren wir, wie sich die Lehre im Softwareengineering durch diese neuen Technologien verändern könnte, und führen unsere Untersuchungen in diesem Bereich weiter. Nach unserer Recherche ist sich die Forschungsgemeinschaft bislang noch uneins, ob und inwieweit Sprachmodelle das Lernen des Programmierens fördern oder behindern können. Es zeichnet sich jedoch ab, dass Sprachmodelle Ungleichheiten verstärken könnten. Weitere empirische Studien sind erforderlich, um herauszufinden unter welchen Bedingungen das Lehren und Lernen verbessert werden kann. Eine davon haben wir zusammen mit der Fakultät 07 in diesem Semester durchgeführt. Die Ergebnisse werden wir auf der Educon 2025 präsentieren.
Interdisziplinäre Perspektiven: KI, Nachhaltigkeit und Kunst
KI und Nachhaltigkeit sowie KI und Kunst sind spannende und wichtige interdisziplinäre Schnittmengen, denen wir uns im MUC.DAI durch die vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) geförderten Digitalisierungskollegs AICA: Artificial Intelligence in Culture and Arts und sustAInability widmen.
Wollen wir die Nachheitigkeitsziele ernsthaft verfolgen, so muss KI über den ganzen Lebenszyklus bestimmbaren Nachhaltigkeitskriterien genügen und zugleich zum Treiber innovativer Nachhaltigkeitsprojekte werden. Die dafür erforderlichen Kompetenzen versuchen wir forschungsgetrieben durch die Veranstaltungen und deren Evaluation des sustAInable Kollegs studierendenzentriert zu vermitteln. Dabei sind die zwei Konferenzbeiträge Bridging Disciplines in Higher Education: The Convergence of AI and Sustainability und Empowering Interdisciplinary Expertise: Evaluating the Impact of Challenge-based Learning on AI and Sustainability Literacy in Higher Education entstanden.
Die Kunst bietet die Möglichkeit, KI als Medium zu entblößen und dadurch den gesellschaftlichen Diskurs zu fördern. KI hat sich zum Kunstobjekt entwickelt und wird zugleich als Werkzeug in der Kunst und Kreativwirtschaft verstanden. Insbesondere die Generative Künstliche Intelligenz wird schon seit Längerem in dieser Branche (weiter-)entwickelt, reflektiert, ausgestellt und an ihre Grenzen gebracht. Statt nach dem "Ende der Programmierung" fragen viele nach dem "Ende der Kunst", doch auch dieser Vorstellung erteilen wir vorerst eine Absage. Stattdessen bringen wir im Kolleg AICA Studierende aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Diese Strategie haben wir auf EDULEARN24 unter dem Titel Evaluating Interdisciplinary Project-based Learning on AI in Culture and Arts vorgestellt.
Um das Phänomen der KI-Kunst als soziales Konstrukt besser zu verstehen, führt Téo Sanchez zusammen mit seinen Kolleg:innen derzeit eine Studie zu den Pionieren der KI-Kunst und deren Entwicklung durch. Über eine thematische Analyse einer großen Anzahl an Interviews erhoffen sich die Forschenden ein solides Bild über die Anfänge, Gegenwart und mögliche Zukunft der KI-Kunst zu erhalten.