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Generative KI in der Sozialen Arbeit - Einblick aus dem Dialogforum "Generative KI und Gesellschaft"
Gastbeitrag von Prof. Emily Engelhardt
12/11/2024
In unserem letzten Dialogforum beleuchteten wir, welche Kompetenzen für den gemeinwohlorientierten Einsatz von generativer KI benötigt werden. Besonders spannend war der Gastvortrag von Prof. Emily Engelhardt, die Ihre Perspektive im Hinblick auf die Soziale Arbeit mit uns teilte. Im Anschluss hatten wir die Gelegenheit, ihr einige Fragen zu stellen und freuen uns diese Einblicke zu teilen:
Welche Rolle spielt KI im sozialwissenschaftlichen Bereich? Welchen Chancen und welchen Herausforderungen blicken Sie entgegen?
Prof. Emily Engelhardt: „Man könnte zunächst vermuten, in der Sozialen Arbeit würde KI eine weniger große Rolle spielen – wir arbeiten ja schließlich „direkt am Menschen“. Tatsächlich ist KI aber auch für viele Handlungsfelder im Sozialen inzwischen höchst relevant. Hierbei geht es um Themen wie der klassischen Prozessunterstützung, aber auch um Bereiche, in der es um die konkrete Unterstützung und Versorgung von Adressatinnen und Adressaten geht.
Wir stehen zum Beispiel vor der Frage, ob ein KI-System bei der Einschätzung von Kindeswohlgefährdung hilfreich sein kann. In diesem Kontext tauchen sofort ethische Aspekte auf, aber auch die grundsätzliche Frage, was wir alles an eine KI abgeben können und wollen und was nicht. KI-gestützte Chatbots hingehen können ein hilfreiches Angebot für Ratsuchende sein. Hier gibt es auch bereits erste Forschungsergebnisse die zeigen, dass Klientinnen und Klienten der KI manchmal leichter sehr persönliche und schambesetzte Themen anvertrauen.
Es wird zukünftig also vor allem um Aushandlungsprozesse gehen: Was zeichnet den Menschen aus und welche Tätigkeiten im Sozialen können nur von Menschen verrichtet werden? Wo kann aber auch die KI unterstützen oder Arbeitsprozesse komplett übernehmen?"
Wie wichtig ist der interdisziplinäre Austausch für Ihre Arbeit und können Sie von einem gemeinsamen Projekt berichten, das auf der Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen basiert?
Prof. Emily Engelhardt: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird in diesem Kontext immer wichtiger werden. Nur wenn die unterschiedlichen Fachdisziplinen mit ihrer jeweiligen Expertise auf die Dinge schauen, können gute KI-Systeme entstehen. Ein Beispiel hierfür ist ein Lehrprojekt, dass wir durchgeführt haben. Hierbei haben Studierende der Sozialen Arbeit mit Studierenden aus Informatik-Design zusammen Mental Health Chatbots entwickelt. Für die Studierenden der Sozialen Arbeit war es wichtig zu sehen, was in der Tech-Branche für Dinge entstehen. Und die Erkenntnis, dass wir da unbedingt mitreden müssen, war sehr prägnant. Ebenso haben aber auch die Studierenden von Informatik-Design den Mehrwert des disziplinenübergreifenden Austausches wertgeschätzt und von den Impulsen bei der Weiterentwicklung ihrer Chatbots sehr profitiert.“
Generative KI entwickelt sich rasant – Wie nähern Sie sich diesem Thema in Ihrer Arbeit? Was würden Sie Einsteigern empfehlen, die erste Schritte mit generativer KI wagen wollen?
Prof. Emily Engelhardt: „Ich muss gestehen, dass es mir selbst inzwischen oftmals schwerfällt, alle Entwicklungen sofort mitzuverfolgen. Was kann welches KI-System jetzt schon wieder Neues? Welches Tool muss man als nächstes nutzen? Diese Fragen sind für uns in der Sozialen Arbeit aber auch nicht zwangsläufig die Wichtigsten. Mir ist es wichtig, dass wir über Grundkenntnisse zum Thema generative KI verfügen: Es geht darum zu verstehen, wie die Systeme programmiert und trainiert wurden und wie sie grundsätzlich funktionieren. Spannend ist es dann in andere Aspekte einzutauchen: Wie wollen wir beispielsweise mit der Tatsache umgehen, dass die großen am Markt verfügbaren Systeme einen starken ‚bias‘ mit einprogrammiert bekommen haben? Und was bedeutet es eigentlich für unsere Umwelt-Ressourcen, wenn wir ständig KI-Systeme nutzen? Soziale Arbeit schaut natürlich auch auf die Menschen, die für die KI-Konzerne arbeiten. Welche Antworten finden wir also in Hinblick auf die Ausbeutung von Click-Workern im globalen Süden, die KI-Systeme trainieren und dafür teils traumatisierende Inhalte betrachten müssen?
Gleichwohl: Es gilt KI zu nutzen, aber eben sinnvoll. Ich glaube, dass es gar nicht mehr so viele Einsteiger:innen gibt, sondern das viele inzwischen schonmal ChatGPT und Co. getestet haben. Und die, die noch keinen Zugang zu den Systemen haben oder sich noch nicht kompetent genug fühlen, müssen wir gut abholen und befähigen – auch so ein Thema Sozialer Arbeit!“
Mit ihrem Beitrag verdeutlicht die Professorin, dass Künstliche Intelligenz auch im sozialwissenschaftlichen Bereich eine immer größere Rolle spielt – allerdings in spezifischen, genau abzuwägenden Bereichen. Das Dialogforum hat gezeigt, dass der Austausch über Disziplinen hinweg sowie eine kritische, bewusste Auseinandersetzung mit KI für eine verantwortungsvolle Nutzung entscheidend sind.
Vielen Dank für den spannenden Beitrag!